Jahrelang war es ein Dämpfer für viele Betreiber von Photovoltaikanlagen: die 70-Prozent-Regelung. Sie kappte die Leistung und damit den potenziellen Ertrag, gerade an den sonnenreichsten Tagen des Jahres. Doch diese Zeiten sind vorbei. Mit dem Inkrafttreten des Solarpakets I im Mai 2024 wurde eine Neuregelung eingeführt, die umgangssprachlich oft als Solarspitzengesetz bezeichnet wird. Diese Änderung revolutioniert die Spielregeln für private und gewerbliche PV-Anlagen und verspricht höhere Erträge und eine schnellere Amortisation. In diesem umfassenden Guide erfahren Sie alles, was Sie über das Solarspitzengesetz wissen müssen, wie Sie davon profitieren und welche Schritte jetzt für Sie wichtig sind.
Der Begriff "Solarspitzengesetz" ist kein offizieller Name eines Gesetzes. Vielmehr beschreibt er den entscheidenden Teil des Solarpakets I, der die Abschaffung der pauschalen 70%-Wirkleistungsbegrenzung am Netzanschlusspunkt für neue PV-Anlagen bis 25 kWp (Kilowatt-Peak) regelt. Bisher mussten Betreiber solcher Anlagen sicherstellen, dass maximal 70 Prozent der installierten PV-Leistung ins öffentliche Netz eingespeist werden. Diese Regelung sollte die Stromnetze vor einer Überlastung durch zu hohe Einspeisespitzen an sonnigen Tagen schützen.
Die neue Regelung ersetzt diese starre, pauschale Drosselung durch eine intelligentere, dynamische Steuerung. Anstatt die Leistung permanent zu begrenzen, dürfen neue Anlagen nun ihre volle Leistung ins Netz einspeisen. Im Gegenzug erhalten die Netzbetreiber die Möglichkeit, die Anlagen bei einer drohenden, tatsächlichen Netzüberlastung ferngesteuert herunterzuregeln. Die Voraussetzung dafür ist die Installation eines intelligenten Messsystems (iMSys), auch Smart Meter genannt.
Um die Tragweite der neuen Regelung zu verstehen, lohnt sich ein Blick zurück. Die 70-Prozent-Regelung wurde im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verankert und verfolgte ein legitimes Ziel: die Stabilität der Verteilnetze zu sichern. In der Vergangenheit waren die Netze nicht auf eine dezentrale und stark schwankende Einspeisung aus Tausenden von kleinen Solaranlagen ausgelegt. Die Sorge war, dass an einem sonnigen Mittag die Spannung im Netz unzulässig ansteigen könnte, wenn alle Anlagen gleichzeitig ihre maximale Leistung produzieren.
Diese Entwicklung ist ein Meilenstein für die Energiewende, da sie es ermöglicht, das volle Potenzial der dezentralen Energieerzeugung zu nutzen, ohne die Netzstabilität zu gefährden.
Die Neuregelung ist mehr als nur die Abschaffung einer alten Vorschrift. Sie definiert die Interaktion zwischen PV-Anlage, Haushalt und Stromnetz neu. Hier sind die wichtigsten Komponenten verständlich erklärt.
Für alle neuen PV-Anlagen mit einer Leistung von bis zu 25 kWp, die nach dem Inkrafttreten des Solarpakets I installiert werden, entfällt die Pflicht zur dauerhaften Begrenzung der Einspeiseleistung auf 70 %. Sie dürfen ab sofort 100 % ihrer Nennleistung in das öffentliche Netz einspeisen. Dies gilt nicht automatisch für Bestandsanlagen, die vor der Gesetzesänderung in Betrieb genommen wurden – hier gibt es jedoch Optionen zur Nachrüstung, die sich lohnen können.
Die neue Freiheit hat eine Bedingung: die Steuerbarkeit durch den Netzbetreiber. Diese wird durch ein intelligentes Messsystem (iMSys) realisiert. Ein iMSys ist mehr als nur ein digitaler Stromzähler. Es besteht aus einem modernen digitalen Zähler und einem Kommunikationsmodul, dem Smart Meter Gateway. Dieses Gateway ermöglicht eine sichere Datenkommunikation in beide Richtungen.
Für neue Anlagen über 7 kWp ist der Einbau eines iMSys verpflichtend, um die 100%-Regelung nutzen zu können. Für Anlagen zwischen 25 und 100 kWp war dies ohnehin schon der Fall.
Sollte es tatsächlich zu einer Überlastung in einem bestimmten Netzabschnitt kommen, kann der Netzbetreiber ein Steuersignal an die PV-Anlagen in diesem Bereich senden. Die Wechselrichter der Anlagen reduzieren daraufhin für die Dauer der Überlast ihre Leistung. Wichtig dabei ist:
Die Theorie klingt gut, doch was bedeutet das konkret für Ihren Geldbeutel und den Betrieb Ihrer PV-Anlage? Die Vorteile sind erheblich.
Die konkreten Schritte hängen davon ab, ob Sie eine neue Anlage planen oder bereits eine Bestandsanlage betreiben.
Wenn Sie den Bau einer neuen PV-Anlage planen, profitieren Sie automatisch von der neuen Regelung. Achten Sie auf folgende Punkte:
Für bestehende Anlagen, die unter die 70%-Regel fallen, ändert sich nicht automatisch etwas. Sie haben jedoch die Option, auf die neue Regelung umzusteigen. Dies ist besonders für Anlagen interessant, die noch keine 20 Jahre alt sind.
Rund um die neue Gesetzgebung gibt es viele Fragen. Hier beantworten wir die wichtigsten.
Nein, es gibt keine Pflicht zur Umrüstung für Bestandsanlagen. Sie können Ihre Anlage wie bisher mit der 70%-Regelung weiterbetreiben. Der Umstieg ist eine freiwillige Option, die sich aber finanziell lohnen kann.
Die Kosten für den Einbau und Betrieb eines iMSys sind gesetzlich gedeckelt. Für private Haushalte mit PV-Anlagen liegen die jährlichen Kosten in der Regel bei wenigen Dutzend Euro, abhängig von der Konfiguration. Die genauen Preise legt der zuständige Messstellenbetreiber fest.
Dies ist die größte Sorge vieler Betreiber. Experten und Netzbetreiber gehen davon aus, dass reale Drosselungen nur an wenigen Stunden im Jahr und nur in bestimmten Netzsegmenten mit hoher Solardichte notwendig sein werden. Im Normalfall werden Sie davon nichts bemerken.
Ja. Anlagen zwischen 25 und 100 kWp waren schon vor dem Solarpaket I verpflichtet, am Einspeisemanagement des Netzbetreibers teilzunehmen. Für sie war die 70%-Regel daher ohnehin keine gängige Option. Die neue Regelung vereinheitlicht die Praxis und setzt auf breiter Front auf intelligente Steuerbarkeit.
Der Eigenverbrauch wird durch das Solarspitzengesetz gestärkt. Da die Leistungsspitzen nicht mehr gekappt werden, steht Ihnen an sonnigen Tagen mehr Strom zur Verfügung, um ihn selbst zu verbrauchen oder in einem Batteriespeicher zu sichern. Dies senkt Ihre Stromrechnung noch effektiver.
Das sogenannte Solarspitzengesetz, als Teil des Solarpakets I, ist mehr als nur eine technische Anpassung – es ist ein Paradigmenwechsel. Es beendet die Ära der ineffizienten, pauschalen Leistungsbegrenzung und läutet das Zeitalter der intelligenten, dynamischen Netzsteuerung ein. Für Sie als aktuellen oder zukünftigen Betreiber einer PV-Anlage bedeutet das ganz konkret: mehr Ertrag, höhere Rentabilität und eine schnellere Amortisation Ihrer Investition.
Die Abschaffung der 70%-Regel entfesselt das wahre Potenzial Ihrer Solaranlage und ermöglicht es Ihnen, jeden Sonnenstrahl optimal in saubere Energie und finanziellen Gewinn umzuwandeln. Die Voraussetzung der Steuerbarkeit über Smart Meter ist ein notwendiger und sinnvoller Schritt in Richtung eines digitalisierten, stabilen und hocheffizienten Stromnetzes der Zukunft.
Wenn Sie über eine Solaranlage nachdenken, war der Zeitpunkt nie besser. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen sind nun so gestaltet, dass sie Ihre Investition maximal unterstützen. Nutzen Sie diese Chance, um Ihre Energiekosten zu senken, unabhängiger zu werden und einen wertvollen Beitrag zur Energiewende zu leisten.
MEISTGELESENE ARTIKEL
* Bei einigen ausgehenden Links handelt es sich um sogenannte "Affiliate"-Links mit Provisionsvergütung.
** Alle Inhalte sind ohne Gewähr und ersetzen keine Anlage-, Versicherungs- Finanz- oder Immobilienberatung.
© vermoegen-blog.de