Der richtige Kabelquerschnitt für Ihre PV-Anlage: Ein Leitfaden zur Minimierung von Leistungsverlusten

Die Planung einer Photovoltaikanlage ist ein komplexes Unterfangen. Die Auswahl der richtigen Solarmodule und eines effizienten Wechselrichters steht meist im Vordergrund. Doch ein oft unterschätztes, aber für die Effizienz und Sicherheit der gesamten Anlage entscheidendes Detail ist die Wahl des korrekten Kabelquerschnitts. Ein falsch dimensioniertes Kabel kann zu signifikanten Leistungsverlusten, einer Überhitzungsgefahr und im schlimmsten Fall sogar zum Brand führen. Dieser umfassende Leitfaden erklärt Ihnen alles, was Sie über den Kabelquerschnitt bei einer PV-Anlage wissen müssen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie Leistungsverluste vermeiden, die richtigen Kabel für die DC- und AC-Seite auswählen und worauf Sie bei der Berechnung achten müssen.

Autor Thorsten Wimmer
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Thorsten Wimmer
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Warum ist der richtige Kabelquerschnitt so entscheidend?

Ein elektrisches Kabel ist wie eine Wasserleitung. Soll eine große Menge Wasser durch eine zu dünne Leitung fließen, entsteht ein hoher Druckverlust und es kommt am Ende weniger Wasser an. Ähnlich verhält es sich mit Strom in einem Kabel. Ein zu geringer Querschnitt setzt dem fließenden Strom einen hohen Widerstand entgegen. Dies hat drei direkte negative Konsequenzen:

  1. Leistungsverlust durch Spannungsabfall: Der Widerstand im Kabel führt dazu, dass ein Teil der erzeugten Energie in Wärme umgewandelt wird und verloren geht. Dieser Verlust wird als Spannungsabfall bezeichnet. Ein zu hoher Spannungsabfall bedeutet, dass ein signifikanter Teil Ihres mühsam erzeugten Solarstroms das Hausnetz gar nicht erst erreicht. Das senkt die Effizienz und damit die Wirtschaftlichkeit Ihrer gesamten Anlage.
  2. Überhitzung und Brandgefahr: Die Umwandlung von elektrischer Energie in Wärme führt zur Erhitzung des Kabels. Ist der Querschnitt zu klein für den fließenden Strom, kann das Kabel überhitzen. Dies beschädigt die Isolierung und erhöht im Extremfall die Brandgefahr dramatisch.
  3. Sicherheit und Langlebigkeit: Korrekt dimensionierte Kabel sind eine Grundvoraussetzung für den sicheren und normgerechten Betrieb (gemäß VDE 0100-712) und gewährleisten die Langlebigkeit der gesamten elektrischen Installation.

Die Investition in den nächstgrößeren Kabelquerschnitt ist oft nur mit geringen Mehrkosten verbunden, zahlt sich aber über die 20 bis 30 Jahre Lebensdauer einer PV-Anlage durch den vermiedenen Leistungsverlust und die höhere Sicherheit um ein Vielfaches aus.

Grundlagen: DC- vs. AC-Verkabelung in der PV-Anlage

Eine Photovoltaikanlage besteht aus zwei getrennten Stromkreisen, für die unterschiedliche Kabel und Querschnitte benötigt werden. Es ist entscheidend, diese beiden Bereiche zu verstehen.

Die DC-Seite: Vom Solarmodul zum Wechselrichter

Die DC-Seite (Gleichstrom) umfasst die gesamte Verkabelung von den Solarmodulen bis zum Eingang des Wechselrichters. Die einzelnen Module werden in Reihe zu sogenannten "Strings" geschaltet, deren Kabel zum Wechselrichter führen.

  • Kabeltyp: Hier kommen ausschließlich spezielle Solarkabel zum Einsatz. Diese sind für die rauen Bedingungen auf dem Dach ausgelegt: Sie sind UV-beständig, ozonresistent, für einen weiten Temperaturbereich (-40 °C bis +90 °C) ausgelegt und besitzen eine doppelte Isolierung für erhöhte Sicherheit.
  • Spannung und Strom: Auf der DC-Seite liegen hohe Gleichspannungen (bis zu 1.000 Volt) und relativ niedrige Ströme (ca. 9-13 Ampere pro String) an.
  • Typische Querschnitte: Die gängigsten Querschnitte für die Stringverkabelung sind 4 mm², 6 mm² und 10 mm². In den meisten Fällen bei Einfamilienhäusern ist 6 mm² der etablierte Standard, der einen guten Kompromiss aus Verlustarmut und Kosten darstellt.

Die AC-Seite: Vom Wechselrichter zum Hausnetz

Die AC-Seite (Wechselstrom) beginnt am Ausgang des Wechselrichters, der den Gleichstrom in haushaltsüblichen Wechselstrom umgewandelt hat. Dieses Kabel verbindet den Wechselrichter mit dem Zählerschrank und speist den Strom ins Hausnetz ein.

  • Kabeltyp: Hier werden herkömmliche Installationskabel wie z.B. NYM-J verwendet.
  • Spannung und Strom: Die Spannung beträgt hier 230V (einphasig) oder 400V (dreiphasig). Der Strom ist jedoch deutlich höher als auf der DC-Seite und hängt von der Leistung des Wechselrichters ab.
  • Typische Querschnitte: Die Querschnitte sind hier sehr variabel und hängen stark von der Leistung der Anlage und der Kabellänge ab. Sie reichen von 2,5 mm² bei kleinen Anlagen bis hin zu 16 mm² oder mehr bei großen Anlagen.

Die Berechnung des richtigen Querschnitts: Der Spannungsabfall ist entscheidend

Das Ziel bei der Dimensionierung ist es, den Spannungsabfall so gering wie möglich zu halten. Als anerkannte Regel gilt in Deutschland, dass der Spannungsabfall auf der DC-Seite (Module bis Wechselrichter) nicht mehr als 1 % betragen sollte. Auch auf der AC-Seite wird ein Wert von unter 1 % angestrebt.

Formel zur Berechnung des Spannungsabfalls

Für die, die es genau wissen wollen, hier die Formel zur Berechnung des Spannungsabfalls (ΔU):

$$ \Delta U = \frac{2 \cdot L \cdot I \cdot \rho}{A} $$

Wobei:

  • $ \Delta U $ = Spannungsabfall in Volt (V)
  • $ L $ = Einfache Länge des Kabels in Metern (m)
  • $ I $ = Stromstärke in Ampere (A)
  • $ \rho $ (rho) = Spezifischer Widerstand des Leitermaterials (für Kupfer: ca. 0,0172 Ω·mm²/m)
  • $ A $ = Kabelquerschnitt in Quadratmillimetern (mm²)
  • Der Faktor 2 wird verwendet, weil der Strom den Weg hin und zurück (Plus- und Minusleitung) zurücklegen muss.

Um den prozentualen Spannungsabfall zu erhalten, teilt man das Ergebnis $ \Delta U $ durch die Systemspannung (z.B. die MPP-Spannung des Strings) und multipliziert es mit 100.

Praktische Anwendung: Wann nehme ich welchen Querschnitt?

In der Praxis muss nicht jeder die Formel von Hand anwenden. Elektriker und Solarteure nutzen spezielle Software oder greifen auf Erfahrungswerte und Tabellen zurück. Hier sind einige praxisnahe Beispiele und Faustregeln:

Beispielrechnung für die DC-Seite:

Nehmen wir einen String mit 10 Solarmodulen und einer Gesamtleistung von 4 kWp. Die Spannung im optimalen Arbeitspunkt (UMPP) beträgt ca. 350 V und der Strom (IMPP) ca. 11,4 A. Die Kabellänge vom letzten Modul zum Wechselrichter beträgt 20 Meter.

  • Mit 4 mm² Kabel: $ \Delta U = (2 \cdot 20 \text{ m} \cdot 11,4 \text{ A} \cdot 0,0172) / 4 \text{ mm²} = 1,96 \text{ V} $. Prozentualer Verlust: $ (1,96 \text{ V} / 350 \text{ V}) \cdot 100 \approx 0,56 \% $. Dieser Wert ist exzellent und unbedenklich.
  • Mit 6 mm² Kabel: $ \Delta U = (2 \cdot 20 \text{ m} \cdot 11,4 \text{ A} \cdot 0,0172) / 6 \text{ mm²} = 1,31 \text{ V} $. Prozentualer Verlust: $ (1,31 \text{ V} / 350 \text{ V}) \cdot 100 \approx 0,37 \% $. Der Verlust ist noch geringer.

Fazit: Bei einer typischen Stringlänge von 15-25 Metern ist man mit 6 mm² Solarkabel immer auf der sicheren Seite und minimiert die Verluste nachhaltig. Bei sehr kurzen Wegen (unter 10 m) kann 4 mm² ausreichen, bei sehr langen Wegen (über 30-40 m) sollte über 10 mm² nachgedacht werden.

Kabelquerschnitt-Tabelle für die DC-Seite (Richtwerte)

Kabellänge (einfach) Empfohlener Querschnitt (1 String)
bis 15 m 4 mm² (ausreichend), 6 mm² (optimal)
15 m - 30 m 6 mm² (Standard)
über 30 m 10 mm²

Dimensionierung der AC-Seite:

Die Berechnung für die AC-Seite ist komplexer, da hier die Leistung des Wechselrichters und die Art des Anschlusses (ein- oder dreiphasig) entscheidend sind. Ein 10-kW-Wechselrichter speist dreiphasig pro Phase einen Strom von ca. 14,5 A ein ($ I = 10.000 \text{ W} / (3 \cdot 230 \text{ V}) $). Die Dimensionierung des AC-Kabels ist zwingend die Aufgabe einer qualifizierten Elektrofachkraft, da hier die Einhaltung der VDE-Normen für die Netzsicherheit von höchster Bedeutung ist.

Häufige Fehler und wie Sie sie vermeiden

  • Am falschen Ende sparen: Der Preisunterschied zwischen 4 mm² und 6 mm² Kabel ist minimal. Die über die Jahre eingesparten Leistungsverluste machen die geringen Mehrkosten schnell wett.
  • Falsche Kabeltypen verwenden: Auf der DC-Seite dürfen unter keinen Umständen normale Installationskabel verwendet werden. Nur spezielle Solarkabel bieten den nötigen Schutz vor Witterung und UV-Strahlung.
  • Steckverbindungen vernachlässigen: Nicht nur das Kabel, auch die MC4-Steckverbinder müssen von hoher Qualität und korrekt gecrimpt sein. Schlechte Verbindungen sind eine häufige Ursache für Leistungsverlust und Überhitzung.
  • AC-Seite selbst anschließen: Der Anschluss an den Zählerschrank und das Hausnetz ist ausschließlich einer zertifizierten Elektrofachkraft vorbehalten. Eigenmächtige Installationen sind lebensgefährlich und illegal.

Fazit: Der Querschnitt ist das Fundament Ihrer Anlageneffizienz

Die Wahl des richtigen Kabelquerschnitts für Ihre PV-Anlage ist eine entscheidende, wenn auch oft übersehene Komponente für den langfristigen Erfolg Ihrer Investition. Während die Berechnung im Detail dem Fachmann überlassen werden sollte, hilft ein grundlegendes Verständnis bei der Bewertung von Angeboten und der Planung. Merken Sie sich als Faustregel: Sparen Sie nicht an den Kabeln. Ein großzügig dimensionierter Querschnitt, insbesondere der Standard von 6 mm² für die DC-Verkabelung, stellt sicher, dass der wertvolle Solarstrom mit minimalen Verlusten vom Dach zum Wechselrichter gelangt. So garantieren Sie nicht nur die maximale Effizienz und Wirtschaftlichkeit Ihrer Anlage, sondern auch einen sicheren und zuverlässigen Betrieb für die nächsten Jahrzehnte.

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