Photovoltaik an der Fassade: Wie Ihr Gebäude selbst zum Kraftwerk wird

Wenn wir an Photovoltaik denken, sehen die meisten von uns das klassische Bild vor Augen: glänzende Solarmodule, die auf einem Ziegeldach montiert sind. Doch das enorme Potenzial der Solarenergie endet nicht an der Dachkante. Immer mehr Architekten, Bauherren und Sanierer entdecken eine riesige, oft ungenutzte Fläche zur Energiegewinnung: die Fassade. Eine Photovoltaikanlage an der Fassade ist nicht nur ein starkes visuelles Statement für Nachhaltigkeit, sondern auch eine technologisch ausgereifte Lösung, um Gebäude energieeffizienter zu machen und wertvollen Solarstrom zu erzeugen. Dieser umfassende Leitfaden beleuchtet alle Aspekte der Fassadenphotovoltaik – von der Technik über die Wirtschaftlichkeit bis hin zu den gestalterischen Möglichkeiten.

Autor Thorsten Wimmer
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Thorsten Wimmer
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Was ist Fassadenphotovoltaik und warum ist sie die Zukunft des Bauens?

Unter Fassadenphotovoltaik (kurz: Fassaden-PV) versteht man die Anbringung von Solarmodulen an den senkrechten Außenwänden eines Gebäudes. Dabei gibt es zwei grundlegende Ansätze: die Montage von Standardmodulen vor die bestehende Fassade (Kaltfassade) und die architektonisch anspruchsvollere, gebäudeintegrierte Photovoltaik (BIPV), bei der die Solarmodule selbst zu einem Teil der Gebäudehülle werden und traditionelle Fassadenmaterialien ersetzen. Gerade in dicht bebauten städtischen Gebieten, wo Dachflächen begrenzt oder durch Aufbauten wie Klimaanlagen und Dachfenster bereits belegt sind, eröffnet die Fassaden-PV gewaltige neue Flächen für die Energiewende. Sie ist ein entscheidender Baustein für die Erreichung von Niedrigstenergie- und Plusenergiestandards im Neubau und bei der Sanierung.

Die entscheidenden Vorteile einer Solarfassade

Die Nutzung von Fassaden für die Solarstromerzeugung bietet eine Reihe von überzeugenden Vorteilen, die über die reine Energiegewinnung hinausgehen:

  • Zusätzliches Energiepotenzial: Fassaden bieten, insbesondere bei mehrgeschossigen Gebäuden, oft eine größere Fläche als das Dach und ermöglichen so eine höhere installierte Gesamtleistung.
  • Optimierter Ertrag im Winter: Während flache Dachanlagen im Winter unter einer tiefstehenden Sonne und Schneebedeckung leiden, ist der Einfallswinkel auf eine senkrechte Südfassade im Winter ideal. Das führt zu einer gleichmäßigeren Energieerzeugung über das Jahr verteilt und hilft, die "Winterstromlücke" zu verkleinern.
  • Keine zusätzliche Flächenversiegelung: Es werden bereits vorhandene Flächen genutzt, was besonders in urbanen Räumen von großer Bedeutung ist.
  • Architektonische Gestaltungsfreiheit: Moderne Fassadenmodule sind längst keine reinen Technik-Elemente mehr. Sie sind in diversen Farben, Formen und Oberflächenstrukturen erhältlich und werden so zu einem zentralen Element modernen architektonischen Designs.
  • Multifunktionalität (BIPV): Gebäudeintegrierte Module dienen nicht nur der Stromerzeugung, sondern fungieren gleichzeitig als Witterungsschutz, Wärmedämmung, Schallschutz und Gestaltungselement, was Baukosten an anderer Stelle einsparen kann.
  • Selbstreinigungseffekt: An senkrechten Flächen können sich Schnee und Schmutz schlechter festsetzen als auf geneigten Dächern, was die Wartung vereinfachen kann.

Die Technik hinter der Fassaden-PV: Worauf kommt es an?

Die Installation von Photovoltaik an der Fassade stellt andere technische Anforderungen als eine Dachanlage. Die Ausrichtung, mögliche Verschattung und die Wahl der richtigen Module und Montagesysteme sind entscheidend für den Erfolg und die Effizienz des Systems.

Kaltfassade vs. Warmfassade (BIPV)

Man unterscheidet grundsätzlich zwei Montagearten, die weitreichende Konsequenzen für Technik, Kosten und Optik haben:

  1. Die vorgehängte hinterlüftete Fassade (Kaltfassade): Hier werden Standard-Solarmodule oder spezielle Fassadenmodule mittels eines Montagesystems vor die eigentliche tragende und gedämmte Wand gehängt. Zwischen Solarmodul und Wand verbleibt ein Luftspalt, der für eine kontinuierliche Hinterlüftung sorgt. Diese Luftzirkulation kühlt die Module im Sommer, was ihren Wirkungsgrad erhöht, und führt Feuchtigkeit sicher ab. Dies ist die technisch einfachere und oft kostengünstigere Variante, die sich auch für die Nachrüstung an Bestandsgebäuden eignet.
  2. Gebäudeintegrierte Photovoltaik - BIPV (Warmfassade): Dies ist die Königsklasse der Fassaden-PV. Die PV-Module sind hier kein aufgesetztes Element, sondern integraler Bestandteil der Fassadenkonstruktion. Sie ersetzen Materialien wie Glas, Putz oder Steinplatten. BIPV-Systeme erfordern eine sehr genaue Planung und sind vor allem im Neubau oder bei Komplettsanierungen sinnvoll. Die Module übernehmen hier mehrere Funktionen gleichzeitig, was die Mehrkosten für die Photovoltaik teilweise kompensiert.

Welche Solarmodule eignen sich für die Fassade?

Während bei einer Kaltfassade prinzipiell auch Standard-Dachmodule verwendet werden können, gibt es für den Fassadeneinsatz optimierte Spezialmodule. Diese zeichnen sich durch besondere Eigenschaften aus:

  • Farbige Module: Dank spezieller Beschichtungen oder farbiger Gläser sind Module heute in fast allen RAL-Farben erhältlich, von Terracotta über Grün- und Blautöne bis hin zu verschiedenen Graustufen und Weiß. Dies ermöglicht eine harmonische Integration in das architektonische Gesamtbild.
  • Strukturierte Oberflächen: Mattierte, satinierte oder strukturierte Glasoberflächen reduzieren die Blendwirkung und schaffen eine hochwertige Optik, die an Stein oder Textilien erinnern kann.
  • Dünnschichtmodule: Diese Module haben zwar einen geringeren Wirkungsgrad, aber ein besseres Schwachlichtverhalten. Das bedeutet, sie produzieren auch bei diffusem Licht (z.B. an Nordfassaden oder bei Bewölkung) relativ gut Strom. Zudem sind sie weniger anfällig für hohe Temperaturen.
  • Glas-Glas-Module: Diese sind besonders robust und langlebig, da die Solarzellen beidseitig von Glasplatten geschützt sind. Sie sind die erste Wahl für BIPV-Lösungen.

Ausrichtung und Ertrag: Was leistet eine Solarfassade wirklich?

Der Energieertrag einer Fassadenanlage unterscheidet sich von dem einer Dachanlage. Während eine optimal nach Süden ausgerichtete Dachanlage mit 30° Neigung den höchsten Jahresertrag liefert (ca. 1.000 kWh pro kWp), muss man bei Fassaden differenzieren.

  • Südfassade: Sie liefert über das Jahr gesehen den höchsten Ertrag unter den Fassaden, ca. 70-80 % einer optimalen Dachanlage. Ihre große Stärke ist der hohe Ertrag im Winter, wenn die Sonne tief steht.
  • Ost- und Westfassade: Sie produzieren etwa 60-70 % des Ertrags einer Südfassade. Ihr Vorteil liegt im Produktionsprofil: Die Ostfassade erzeugt Strom am Morgen, die Westfassade am Nachmittag und Abend. Dies passt oft sehr gut zum Verbrauchsprofil in Wohn- und Bürogebäuden und kann den Eigenverbrauch ohne Speicher erhöhen.
  • Nordfassade: Eine reine Nordfassade ist für die direkte Stromerzeugung meist unwirtschaftlich. Sie eignet sich jedoch in manchen Fällen für spezielle Dünnschichtmodule, die diffuses Licht gut nutzen können, oder als architektonisches "Blindelement", um ein einheitliches Fassadenbild zu schaffen.

Ein entscheidender Faktor bei Fassaden ist die Verschattung durch Nachbargebäude, Bäume oder Erker und Balkone am eigenen Haus. Eine sorgfältige Verschattungsanalyse im Vorfeld ist unerlässlich. Moderne Wechselrichter mit intelligentem Schattenmanagement können die Ertragsverluste durch Teilverschattung jedoch deutlich minimieren.

Planung und Genehmigung: Was ist rechtlich zu beachten?

Die Installation einer Photovoltaikanlage an der Fassade ist in der Regel komplexer als bei einem Dach und berührt baurechtliche Aspekte. Eine frühzeitige Klärung mit den Behörden ist daher essenziell.

Ist für eine Photovoltaik-Fassade eine Baugenehmigung erforderlich?

Ja, in den allermeisten Fällen ist für die Anbringung von Photovoltaik an der Fassade eine Baugenehmigung erforderlich. Anders als bei Dachanlagen, die oft verfahrensfrei sind, stellt eine Fassaden-PV eine wesentliche Änderung der äußeren Gestalt des Gebäudes dar. Die genauen Vorschriften sind in den Landesbauordnungen (LBO) der Bundesländer geregelt. Sie sollten unbedingt vor Planungsbeginn einen Antrag auf Bauvoranfrage oder direkt einen Bauantrag beim zuständigen Bauamt stellen. Wichtige Prüfpunkte für die Behörde sind:

  • Brandschutz: Fassadenanlagen müssen strenge Brandschutzauflagen erfüllen, um eine Brandweiterleitung über die Fassade zu verhindern. Die verwendeten Materialien und das Montagesystem müssen entsprechend zertifiziert sein.
  • Standsicherheit: Ein Statiker muss nachweisen, dass die Fassade und das Montagesystem das Gewicht der Module sowie Wind- und Soglasten sicher tragen können.
  • Denkmalschutz und Gestaltungssatzungen: In denkmalgeschützten Bereichen oder Gebieten mit einer kommunalen Gestaltungssatzung sind die Hürden besonders hoch. Hier ist eine enge Abstimmung mit den Behörden und oft der Einsatz von unauffälligen, farblich angepassten Modulen notwendig.
  • Blendwirkung: Es muss sichergestellt werden, dass die Solarmodule keine Nachbarn oder den Straßenverkehr blenden. Module mit matter oder strukturierter Oberfläche sind hier klar im Vorteil.

Anmeldung bei Netzbetreiber und Marktstammdatenregister

Wie jede netzgekoppelte PV-Anlage muss auch eine Fassadenanlage vor der Inbetriebnahme beim örtlichen Netzbetreiber angemeldet und im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur registriert werden. Diesen Prozess übernimmt in der Regel der installierende Fachbetrieb.

Kosten und Wirtschaftlichkeit: Lohnt sich eine Solarfassade?

Die Kosten für eine Photovoltaikanlage an der Fassade liegen typischerweise über denen einer vergleichbaren Dachanlage. Dies liegt an den teureren, speziellen Fassadenmodulen, dem aufwendigeren Montagesystem und den höheren Planungs- und Genehmigungskosten.

Die Kosten für eine vorgehängte Kaltfassade beginnen bei etwa 400-600 Euro pro Quadratmeter. Für hochwertige, gebäudeintegrierte BIPV-Lösungen können die Kosten auch 800 bis über 1.000 Euro pro Quadratmeter betragen.

Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ist jedoch eine andere:

  1. Kostenkompensation bei BIPV: Bei einer BIPV-Anlage ersetzen die Solarmodule konventionelle Fassadenelemente. Die Kosten für eine hochwertige Glas- oder vorgehängte Plattenfassade entfallen. Die Mehrkosten für die reine PV-Funktion sind daher oft geringer als es zunächst scheint.
  2. Hoher Eigenverbrauch: Durch die über den Tag verteilte Stromproduktion (Ost/West) kann ein sehr hoher Eigenverbrauchsanteil erzielt werden. Jede selbst verbrauchte Kilowattstunde spart den teuren Zukauf von Netzstrom.
  3. Staatliche Förderungen: Fassaden-PV-Anlagen profitieren von den üblichen Förderungen wie der Einspeisevergütung für überschüssigen Strom. Zudem gibt es oft spezielle Förderprogramme für energieeffizientes Bauen und Sanieren (z.B. von der KfW), bei denen Solarfassaden positiv angerechnet werden.
  4. Image und Immobilienwert: Eine architektonisch ansprechende Solarfassade ist ein sichtbares Zeichen für Modernität und Nachhaltigkeit, was den Wert und die Vermietbarkeit einer Immobilie steigern kann.

Eine Fassaden-PV amortisiert sich also nicht nur über den reinen Stromertrag, sondern durch eine Kombination aus eingesparten Baukosten, hohem Eigenverbrauch, Förderungen und Wertsteigerung.

Fazit: Die Fassade als aktives Kraftwerk und Designelement

Die Photovoltaik an der Fassade ist längst keine Nischentechnologie mehr. Sie ist ein unverzichtbarer Baustein für die Energiewende im Gebäudesektor. Sie erschließt riesige Flächenpotenziale, sorgt für eine stabile Stromproduktion auch im Winter und bietet dank moderner Modultechnologien faszinierende architektonische Möglichkeiten. Auch wenn die Planung komplexer und die initialen Kosten höher sind als bei einer Standard-Dachanlage, überzeugen die Vorteile: Energieeffizienz, Design und ein klares Bekenntnis zur Nachhaltigkeit. In einer Zukunft, in der jedes Gebäude Teil der Lösung sein muss, verwandelt die Solarfassade passive Hüllen in aktive Kraftwerke und gestaltet so das Bild unserer Städte neu.

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